Foto: Außerhalb des hr-Sendesaals: Bridges Kammerorchester im Casals Forum © Salar Baygan
Jenseits von Zeit und Raum

Bridges Kammerorchester im hr-Sendesaal

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Das Frühlingskonzert des Bridges Kammerorchester im hr-Sendesaal ist in Frankfurt längst Tradition. Diesmal gibt es wieder eine Uraufführung. Ein Interview mit der künstlerischen Leiterin, Johanna-Leonore Dahlhoff.

Detlef Kinsler /

JOURNAL FRANKFURT: Die Konzerte beim Hessischen Rundfunk sind längst zu einer schöner Tradition geworden. Zum wievielten Male spielt ihr da jetzt und was bedeutet euch der Auftritt im hr-Sendesaal?
Johanna-Leonore Dahlhoff: Wir haben unseren allerersten Auftritt mit der damals noch losen Initiative „Bridges – Musik verbindet" 2016 im hr-Sendesaal gespielt. Seitdem waren wir jedes Jahr im April dort – mit Ausnahme von dem Corona-Jahr 2020. Es ist also in diesem Jahr unser neuntes Konzert im hr-Sendesaal – ohne Corona könnten wir jetzt sogar das 10-jähirge Jubiläum feiern. Für uns ist der Auftritt im hr-Sendesaal immer wieder ein jährliches Highlight und ein „Nach-Hause-Kommen“. In diesem Saal fing alles an und dieser besondere Moment wirkt bis heute nach.

Wie wichtig ist euch, dass ihr euren Aktionsradius inzwischen kräftig erweitern konntet bis hin zu Gastspielen in der Elbphilharmonie?
Nachdem wir das Bridges Kammerorchester im Herbst 2019 gegründet haben, war es Corona bedingt erst einmal praktisch, in der Rhein-Main-Region aufzutreten und nicht sofort große Welttourneen zu planen. Dass wir nach nur fünf Jahren eine Einladung vom renommierten Schleswig-Holstein Musik Festival in den großen Saal der Elbphilharmonie erhalten haben, freut uns sehr. Seitdem erreichen uns vermehrt sehr spannende neue Anfragen aus Regionen, in denen wir bisher nicht aufgetreten sind. So können wir uns in den kommenden Spielzeiten auf ein paar besondere Highlights freuen.

Wir sind ein Frankfurter Orchester und spielen sehr gerne in Frankfurt für unser Publikum. Gleichzeitig ist es in der Musikszene sehr wichtig, überregional und international aufzutreten. Wir freuen uns daher sehr über die große positive Resonanz, die uns an neuen Orten entgegenkommt, sowie natürlich über unsere internationale und ständig wachsende Fangemeinde auf YouTube.

„Im Frankfurter Raum überraschen wir unser Publikum gerne mit neuen Programmen“

Wie viel unterschiedliche Programme habt ihr inzwischen im Repertoire und gehört es zu eurem Ehrgeiz, mit immer neuen Kompositionen zu überraschen? Unter einer Uraufführung geht bei euch nichts ...
Ja, tatsächlich haben wir das große Glück, dass wir im Orchester viele Mitglieder haben, die für uns komponieren und arrangieren. Es macht uns großen Spaß, neue Werke zu entwickeln und dabei auch stets etwas Neues auszuprobieren. Bisher geht uns die Kreativität dabei nicht aus – ganz im Gegenteil beschäftigen wir uns seit ein paar Monaten mit ganz neuen spannenden Formen des kollektiven Komponierens, also wo mehrere Personen gemeinsam ein Stück schreiben. So kann es durchaus passieren, dass ein Konzertprogramm fast nur Uraufführungen beinhaltet.

Mittlerweile haben wir allerdings circa 150 Kompositionen und Arrangements für unser Orchester geschrieben, sodass wir aus einem schönen Repertoire schöpfen können. Das machen wir vor allem für unsere Gastspiele außerhalb von Hessen, denn dort kennen die Leute unsere Musik ja überwiegend noch nicht. Im Frankfurter Raum überraschen wir unser Publikum dagegen gerne mit immer neuen Programmen. Ein paar „Klassiker“ bringen wir aber auch ab und zu unter, wie zum Beispiel „Istanbul“ unseres Cellisten Gabriel Mientka, was wir am 12. April im hr-Sendesaal aufführen werden.

„Beyond Time and Space" ist ein Motto, das quasi alles ermöglicht. Steckt auch eine Botschaft dahinter oder ist es schlicht und ergreifen euer Credo?
„Beyond Time and Space“ – alles ist möglich. Ja, das ist in gewisser Weise unser Credo. Außerhalb von vermeintlichen Grenzen zu denken und (musikalisch) zu experimentieren ist ein ganz wesentlicher Kern unserer Arbeitsweise. Es ist immer wieder erstaunlich, was alles geht, wenn man bereit ist, ausgetretene, bequeme Pfade zu verlassen.

Ein Klavierkonzert von Beethoven – ohne Klavier

Als wichtig erachtet ihr es auch, einen echten „Klassiker" (diesmal Beethoven) ins Programm zu integrieren und mit eurem Instrumentarium neu zu interpretieren. Ihr sprecht dann von einem „transkulturelles Arrangement" ...
Wir haben „transkulturelle Arrangements“ aus vielen verschiedenen Musiktraditionen in unserem Repertoire. Dazu gehören europäische „Klassiker“ wie Beethoven genauso wie arabische „Klassiker“ wie die Lieder der legendären Sängerin Um Kulthoum, persische „Klassiker“ zum Beispiel von Majed Derakhshani, „Klassiker“ aus der osteuropäischen Folklore oder „Klassiker“ aus Jazz oder Pop. Transkulturell sind diese „Klassiker“ bei uns immer arrangiert. Denn durch unsere einmalige Orchesterbesetzung entsteht keine „traditionelle“ oder „historisch informierte“ Interpretation, sondern immer ein neuer Sound, der ursprünglich in keinem der Werke so vorgesehen war.

Eine wichtige Grundregel bei unserer Programmauswahl lautet: Wir spielen die Musiktraditionen, aus denen unsere Orchestermitglieder kommen beziehungsweise mit denen sie sich beschäftigen und entwickeln diese Traditionen gemeinsam weiter. Ich selbst komme musikalisch aus der europäischen Klassik. Deswegen habe ich für unser diesjähriges Konzert im hr-Sendesaal erstmals ein Arrangement von einem Beethoven-Stück für uns geschrieben. Wir werden das 5. Klavierkonzert von Beethoven in einer neuen Version spielen – ohne Klavier!

Info
Bridges Kammerorchester: Beyond Time And Space, Frankfurt, Sendesaal des Hessischen Rundfunks, 12. April, 20 Uhr, Eintritt: 25-46 Euro

Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.
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