Foto: Peter Kemper und sein Buch © privat, Reclam
The Sound of Rebellion

Abgesagt: Peter Kemper zu Gast beim „Vintage Soundsystem“

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Für die 18. Folge haben die Initiatoren des „Vintage Soundsystems“ Autor Peter Kemper nach Frankfurt eingeladen, der über die politische Ästhetik des Jazz spricht. Er trifft auf Reggaekenner Helmut Philipps.

Detlef Kinsler /

Update, 11. April: Die Veranstaltung fällt wegen Krankheit beider Referenten aus und wird auf den 20. Juni verschoben.

Peter Kemper zu Gast beim „Vintage Soundsystem“

JOURNAL FRANKFURT: Sie haben zwei Zitate Ihrem Buch vorangestellt. Wie interpretieren Sie Zappas Worte, dass er sich mitunter wünsche, nicht weiß zu sein? Und haben Sie Archie Shepp zitiert, der sich einen Diskurs über Black Music nicht nur von Schwarzen wünscht, um etwaigen Anfeindungen gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen und deutlich zu machen: Ja, ich darf mich des Themas als „alter weißer Mann“ durchaus annehmen?
Peter Kemper: Beide Musiker, Frank Zappa und Archie Shepp, begleiten mich schon mein Leben lang. Zappa, der immer wieder afroamerikanische Musiker (unter anderem auch Archie Shepp) in seine Bands eingeladen hat, ist für mich der Prototyp des global interessierten politischen Künstlers geblieben. Er kannte in seiner Musik keinerlei Grenzen und „races“.

Seine problematischen Erfahrungen im Musikbusiness haben ihm immer wieder Gelegenheit gegeben, sein Verhältnis als Weißer zum Schwarzsein zu reflektieren. Er konnte einfach nichts Besseres tun, als sich mit den „people of color“ zu solidarisieren und die Sache von schwarzen Künstlern, Musikern und Leuten aus der Black Community zu unterstützen. Diese Haltung finde ich vorbildlich und habe sie beim Schreiben meines Buches auch für mich reklamiert.

Neue Sichtweisen und andere Wahrnehmungen ins Spiel bringen

Archie Shepp, der sich wie kaum ein zweiter Jazzmusiker für die Belange seiner afroamerikanischen Community eingesetzt und sich gegen alle Formen von Rassismus, Diskriminierung und Unterdrückung zur Wehr gesetzt hat, suchte dennoch immer wieder die Kooperation mit weißen Musikern (zum Beispiel Roswell Rudd, Jasper van't Hof, Joachim Kühn) Ich bin schon seit 40 Jahren gut mit Shepp bekannt und er hat mich geradezu ermuntert, über Black Music zu schreiben.

Denn er ist der Überzeugung, dass natürlich Schwarze mehr über das Schwarzsein wissen, als jeder andere, dass aber jemand, der sich von außen mit schwarzer Kultur und ihren Menschen intensiv beschäftigt, neue Sichtweisen, andere Wahrnehmungen ins Spiel bringen kann, von denen auch Schwarze noch lernen können, weil diese Einsichten den Horizont erweitern. Ich fand, dass dies ein ermutigender Leitgedanke für meine Arbeit ist.

„Als Jazzmusiker zu leben, ist ein politisches Statement“

Hatten Sie das Gefühl, dass der Jazz, egal ob „schwarz“ oder „weiß“, zu selten auch eine Würdigung über die rein musikalische Ästhetik hinaus erfährt?
In gewisser Weise ja, denn Jazz ist nach meiner Überzeugung eine im Kern „widerständige Musik“, die sich – nicht zuletzt wegen des unberechenbaren Moments der Improvisation – jedem Schematismus des Hörens wie des Spielens verweigert. Jazz kann eben auch in einer Art „Psychopolitik“ zu kritischer Reflexion anregen.

Im Grunde ist die Entscheidung, als Jazzmusikerin oder Jazzmusiker zu leben, schon ein politisches Statement. Denn Jazzmusikerinnen und -musiker begeben sich mit ihrer Kunst automatisch in eine kommerzielle Außenseiterposition und stellen sich damit quer zur kapitalistischen Verwertungslogik. Wer Jazz spielt, verhält sich im Kern auch automatisch antirassistisch, weil er mit seiner Kunst für eine freie, pluralistische Gesellschaft eintritt.

Was war für Sie der wichtigste Impuls, sich dem Thema „The Sound of Rebellion“ zu stellen?
Das Thema treibt mich schon seit Mitte der 1970er Jahre um, als damals ein Buch namens „Free Jazz/ Black Power“ erschien, das es sich aber meines Erachtens mit der Politisierung des Jazz beziehungsweise einzelner Musiker etwas zu einfach gemacht hat (Basis-Überbau-Schema). Ich wollte deshalb mit meiner Arbeit dem Jazz in seiner Geschichte nicht nur als Soundtrack der afroamerikanischen Emanzipationsbewegung (Civil Rights Movement) nachspüren, sondern innermusikalische Beispiele für eine genuin „politische Ästhetik des Jazz’“ bringen, die bis in die subversive Soundsprache selbst hineinreicht.

„Am wichtigsten war mir immer die Musik selbst“

Wie schafft man es, die oft in Kritiken gelobte gründliche Recherche in einem Text so einfließen zu lassen, dass er „erstaunlich kurzweilig“ (so ein Rezensent) zu lesen ist und dem intellektuellen Anspruch, den es sicher gibt, mit viel Leidenschaft zu begleiten?
Am wichtigsten war mir immer die Musik selbst: Welche Dynamik entwickelt sie? Welches aufstörende Verfremdungspotential besitzt sie? Welche rhythmischen Verwirrspiele regen eigene Körpererfahrungen an? Erst im Versuch, den rebellischen Gestus des Jazz in entsprechend treffenden Formulierungen zu fassen, zeigt sich, ob man dem intellektuellen Anspruch, Jazz in historischer, soziologischer und philosophischer Perspektive zu verstehen, gerecht werden kann. Natürlich fließen auch immer die politischen Haltungen seiner Urheber in die Musik ein – wie das im Detail passiert, dem wollte ich auf die Spur kommen.

Warum ist „The Vintage Soundsystem“ das richtige Format, die Reflektionen zu teilen?
Ich habe das „Vintage Soundsystem" bisher als eine Veranstaltungsreihe kennengelernt, in der die unterschiedlichsten musikalischen Genres – von Black Metal über Reggae bis Free Jazz – verhandelt werden können. Gerade diese Offenheit, der programmatische Verzicht auf Scheuklappen, das Fehlen von Vorurteilen und Berührungsängsten, all das macht für mich den Reiz dieses „Diskursraums“ aus. Musikalische Phänomene können hier aus ganz ungewohnten Blickwinkeln diskutiert werden: Überraschende Einsichten sind fast immer garantiert – und dazu das gute Essen!

Autor Peter Kemper trifft auf Reggaekenner Helmut Philipps

Wie reizvoll ist für Sie die Begegnung mit Helmut Philipps und wie nah sind Sie dem Reggae/Dub?
Ich kenne Helmut Philipps noch nicht persönlich, schätze aber seine mit Leidenschaft gepaarte Expertise in Büchern wie „Dub Konferenz“ oder „Dub – The Sound of Surprise“. Eine Querverbindung zu meiner Arbeit lässt sich vielleicht in unserem gemeinsamen Interesse an Marcus Garvey und seinem Konzept eines „Panafrikanismus“ finden.

Garvey war nicht nur eine politische Leitfigur für den Drummer Max Roach oder den Afrofuturisten Sun Ra – er hat während der 1960er-Jahre als eine Art Katalysator für die wachsende Verbindung von spirituellen mit politischen Aspekten in der New Yorker Jazzszene gewirkt. Auf die gleiche Verbindung zielen im Kern ja auch Reggae und Dub. Ich freue mich deshalb auf ein spannendes Gespräch mit Helmut Philipps.

Info
Vintage Soundsystem #18: The Sound Of Rebellion – Zur politischen Ästhetik des Jazz. Mit Peter Kemper und Helmut Philipps, Frankfurt, Pastel, Lindleystraße 15, 11. April, 20 Uhr (Tür und Küche ab 19 Uhr), Eintritt frei

Detlef Kinsler
Detlef Kinsler
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.
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